„Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“

15.11.2018

Landtagsabgeordnete suchen Gespräch mit Verantwortlichen der Region

Die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger ist für uns alle, die wir in der Politik Verantwortung tragen, ein hohes und schutzwürdiges Gut. In Sachen „Abgasskandal“ hat die Autoindustrie hiermit Schindluder getrieben und muss für die Konsequenzen gerade stehen und das – wenn es nach mir ginge – in vollem Umfang.

Die kommunal geforderten Luftreinhaltepläne und die Einhaltung der gesetzten EU-Grenzwerte sind zweifellos richtig und wichtig und dennoch: Wenn die Deutsche Umwelthilfe nun fordert, über das noch nicht rechtskräftige Urteil zu zukünftigen Dieselfahrverboten in der Bonner Reuterstraße und am Belderberg hinaus großflächig Dieselautos aus Bonn zu verbannen, überzieht diese maßlos.

Gemeinsam mit unserem Kollegen im Verkehrsausschuss des Landtags, Oliver Krauß, haben Christos Katzidis und ich daher unmittelbar nach dem erfolgten Urteil das Gespräch mit unserer NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser und unseren Abgeordnetenkollegen der Region Mittelrhein gesucht. Auch in den Bonner Stadtratsfraktionen der Koalition aus CDU/FDP/Grünen wird gerade intensiv diskutiert. Die Grenzwerte wurden in Bonn nur geringfügig überschritten. Die NRW-Umweltministerin bescheinigte der Bundesstadt Bonn beim vorgelegten Luftreinhalteplan grundsätzlich einen guten Job gemacht und das Thema ernst genommen zu haben. Eine zukünftige Einhaltung der Richtwerte scheint für Bonn erreichbar. Hierfür haben wir erste Ideen diskutiert und ich bin zuversichtlich in einer Kombination aus der Förderung von ÖPNV und Fahrradverkehr sowie verkehrslenkenden Maßnahmen für Bonn tragfähige Lösungen finden zu können. Fahrverbote sind und bleiben im Hinblick auf unsere lokale Wirtschaft und ebenso für unsere Bürgerinnen und Bürger unverhältnismäßig.

Klagen vor Gericht als Geschäftsmodell?

Seit 20 Jahren umfangreich mit Fördergeldern von Toyota unterstützt, generiert die Deutsche Umwelthilfe nach aktuellem Bericht der Tages-schau ihre meisten Gelder durch Klagen. Bußgelder und Erträge der „ökologischen Marktüberwachung“ machen inzwischen mehr als ein Viertel ihrer Einnahmen aus. Um das klarzustellen: Selbstverständlich braucht es „Treiber“ beim Thema des ökologischen Umsteuerns in der Verkehrspolitik, doch sollte dies mit Maß und Ziel erfolgen und sich nicht zu einem Geschäftsmodell entwickeln.

Der allgemeine Feldzug gegen den Diesel könnte sich bitter rächen!

Es geht nicht nur um die Stickoxidwerte allein. Würde man den Diesel abschaffen und durch Benziner ersetzen, würden wir extreme Probleme mit den CO2-Werten und Feinstaubbelastungen bekommen und dem Klimaschutz hierdurch einen Bärendienst erweisen. Vor Verbotsverhängungen müssen daher zunächst Lösungen für unsere Verkehrsprobleme gefunden und umgesetzt werden.

Unseren Verkehrsmix zu verändern ist nur im Schulterschluss möglich.

Ergebnisse eines Umsteuerns beim Verkehrsmix der Zukunft (weniger Individualverkehr, mehr ÖPNV und mehr Fahrradverkehr) lassen sich nicht einfach herbei zaubern, ebenso wenig, wie man den Autoverkehr einfach wegzaubern kann. Einfach nur Straßen zu schließen oder zu Radwegen umzuwidmen, einfach nur Verbotsschilder aufzuhängen, sorgt ausschließlich für Verdrängungseffekte und neue Schleichverkehre durch unsere Wohngebiete.

Exemplarisch ein paar „Bonner Realitäten“

Die Initiative der Stadtbahnlinie 66 auf den letzten verbleibenden 150 Metern - der Rest der Strecke zwischen Bonn und Siegburg hat eine eigene Trasse - zukünftig auch im Bereich des Friedhofes Beuel eine eigene Trassenführung zu ermöglichen und Vorrang einzuräumen, führte zu Flugblattaktionen in Beuel, wir würden angeblich eine neue vierspurige „Schnellstraße“ durch Beuel-Mitte planen.

Beim Thema „Südtangente“ zwischen A3 und A565 geht, von vielfältigen Bürgerprotesten getrieben, die Spaltung durch die Parteien und die Region. Ein Konsens scheint derzeit nicht herstellbar, auch wenn die aktuellsten Pläne eine nahezu
100%ige Untertunnelung unserer Stadt vorsehen. Doch gerade diese Maßnahme würde die Verkehrsbelastung auf der Reuterstraße signifikant reduzieren.

Beim Thema „Seilbahn“ vom Venusberg bis nach Beuel, um den Berufsverkehr zu unseren Arbeitsplatzschwerpunkten der Uniklinik, des Bonner Bogens, der Telekom und ins ehemalige Regierungsviertel hinein zu entlasten, war die Bürgerinitiative dagegen schon gegründet, bevor detaillierte Planungen begonnen haben.

Bei Themen, wie einen neuen, kleinen zentralen „Busbahnhof“ am Bahnhof Beuel zum zukünftig barrierefreien Umstieg zwischen DB, S13, Straßenbahn und Buslinien einzurichten, „Park- & Ride“ Plätze nicht nur innerhalb unserer Stadtgrenzen anzudenken oder auch der Einrichtung von besonders leistungsfähigen, den Verkehrsfluss verbessernden, Kreisverkehren - wie am Beispiel B56 an der Kreuzung Bundespolizeistraße - musste die jeweilige Beschlusslage teils im „Kampf“ gegen die Verwaltung durchgesetzt werden.

Vorschnelle Schuldzuweisungen „es würde nichts getan“ mögen zwar plakativ sein, sind aber nachweislich falsch. Schnellschüsse sind hier fehl am Platz, wenn wir den Verkehrsmix ernsthaft und nachhaltig verändern möchten. Das Gebot der Stunde lautet: Lokale Lösungen zu erarbeiten, Mehrheiten hierfür zu finden und dann schnellstmöglich in die Umsetzung zu bringen. Bonn bewusst mit Straßensperrungen in den Verkehrskollaps zu treiben, kann keine richtige Strategie sein.